Die deutsche Arbeitswelt steht vor weitreichenden Veränderungen, getrieben durch Gerichtsurteile und politische Reformbestrebungen. Im Fokus stehen dabei vor allem die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, die Neuausrichtung des Arbeitszeitgesetzes hin zu mehr Flexibilität und die fortschreitende rechtliche Einordnung von Homeoffice und mobilem Arbeiten. Für das Jahr 2025 zeichnen sich konkrete Entwicklungen ab, die sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern neue Herausforderungen und Chancen eröffnen.
Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung: Eine etablierte Realität
Die umfassende Arbeitszeiterfassung ist in Deutschland keine neue Entwicklung für 2025, sondern bereits seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom September 2022 eine rechtlich bindende Pflicht. Dieses Urteil basiert auf einer Auslegung des deutschen Arbeitsschutzgesetzes im Lichte des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)-Urteils aus dem Jahr 2019, das die Mitgliedstaaten zur Einführung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Arbeitszeiterfassung verpflichtete.
Was bedeutet die Zeiterfassungspflicht konkret?
Arbeitgeber sind demnach verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit sowie die Pausenzeiten aller Mitarbeiter lückenlos zu dokumentieren. Dies gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer, unabhängig von ihrer Position, Branche oder dem Arbeitsmodell, ausgenommen sind lediglich leitende Angestellte sowie Geschäftsführer und Selbstständige. Die Pflicht zur Zeiterfassung besteht unabhängig von der Betriebsgröße, auch wenn für kleinere Betriebe (unter 10 Mitarbeitern) im erwarteten Gesetzentwurf möglicherweise Übergangsfristen für die Einführung elektronischer Systeme vorgesehen sind. Bis zu einer neuen gesetzlichen Regelung, die die genaue Ausgestaltung der Zeiterfassung definiert, bleibt die bestehende Rechtslage nach dem BAG-Urteil gültig. Die Aufzeichnung kann auch an die Mitarbeiter delegiert werden, die Überwachungspflicht verbleibt jedoch beim Arbeitgeber.
Die Koalition aus CDU/CSU und SPD beabsichtigt, die Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung unbürokratisch gesetzlich zu regeln. Der Gesetzesentwurf von 2023 sah bereits vor, dass die Zeiterfassung ab einer Mitarbeiterzahl von mehr als 10 digital erfolgen muss, während kleinere Betriebe die Stunden weiterhin in Papierform dokumentieren dürfen. Ziel ist es, Rechtssicherheit zu schaffen und die Einhaltung von Arbeitszeitregelungen, Ruhezeiten und Pausen zu gewährleisten, um den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu verbessern.
Arbeitszeitgesetz im Wandel: Fokus auf die Wochenarbeitszeit
Eine der bedeutendsten Reformen, die der Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung vorsieht, ist die Abkehr von der starren täglichen Höchstarbeitszeit zugunsten einer stärkeren Orientierung an der wöchentlichen Höchstarbeitszeit.
Mehr Flexibilität durch Wochenbetrachtung
Aktuell sieht das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) eine werktägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden vor, die auf zehn Stunden verlängert werden kann, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit liegt damit bei durchschnittlich 48 Stunden. Die geplante Reform zielt darauf ab, die 48-Stunden-Woche als zentrale Bezugsgröße zu etablieren und so mehr Flexibilität für Unternehmen und Arbeitnehmer zu ermöglichen, insbesondere zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Diese Änderung wird von Arbeitgebern überwiegend positiv bewertet, da sie eine flexiblere Anpassung an betriebliche Erfordernisse ermöglicht. Gewerkschaften äußern hingegen Bedenken hinsichtlich möglicher Gesundheitsrisiken durch längere tägliche Arbeitszeiten und fordern weiterhin klare Schutzmechanismen. Die konkrete Ausgestaltung dieser Reform soll im Dialog mit den Sozialpartnern erörtert werden. Eine zeitnahe Umsetzung der Reform des Arbeitszeitgesetzes wird frühestens Ende 2025 erwartet.
Homeoffice und Mobiles Arbeiten: Neue Bezeichnungen und Herausforderungen
Die Zunahme von Homeoffice und mobilem Arbeiten hat die Diskussion über deren rechtliche Rahmenbedingungen intensiviert. Während in Österreich mit dem Inkrafttreten des Telearbeitsgesetzes am 1. Januar 2025 eine Erweiterung des Begriffs „Homeoffice“ zu „Telearbeit“ erfolgt, die auch Coworking Spaces und andere nicht-betriebliche Orte umfasst, ist die Rechtslage in Deutschland weiterhin komplex.
Abgrenzung und Regelungsbedarf in Deutschland
In Deutschland mangelt es im Arbeitsschutzrecht noch an einer hinreichenden Differenzierung zwischen Homeoffice, mobilem Arbeiten und Telearbeit. Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice und auch keine allgemeine Pflicht des Arbeitgebers, Homeoffice anzubieten. Dennoch sind Arbeitgeber bei bestehenden Homeoffice-Vereinbarungen verpflichtet, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten zu gewährleisten, was beispielsweise auch Hitzeschutzmaßnahmen umfasst.
Für 2025 wird empfohlen, bestehende Regelungen zu Homeoffice und mobilem Arbeiten zu überprüfen und anzupassen. Arbeitgeber sollten arbeitsvertragliche Klauseln berücksichtigen, um ihr Direktionsrecht bei der Festlegung des Arbeitsorts zu sichern. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt auch für Mitarbeiter im Homeoffice und beim mobilen Arbeiten.
Vertrauensarbeitszeit im Spannungsfeld der Zeiterfassung
Die Vertrauensarbeitszeit, ein Modell, das Arbeitnehmern eine hohe Eigenverantwortung bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit einräumt, steht im direkten Spannungsfeld mit der nun verpflichtenden Arbeitszeiterfassung.
Vereinbarkeit trotz Zeiterfassungspflicht
Der Koalitionsvertrag der deutschen Regierung versucht, diesen Widerspruch aufzulösen, indem er festhält: „Die Vertrauensarbeitszeit bleibt ohne Zeiterfassung im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglich.“ Die genaue Bedeutung dieses Satzes und die praktische Umsetzung sind jedoch noch Gegenstand von Diskussionen.
Unabhängig davon, wie die „Vertrauensarbeitszeit ohne Zeiterfassung“ konkret gesetzlich umgesetzt wird, gilt: Arbeitgeber sind weiterhin dafür verantwortlich, dass die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten, Pausen- und Ruhezeiten eingehalten werden. Dies erfordert auch bei Vertrauensarbeitszeitmodellen eine Form der Dokumentation und Überwachung, um Verstöße zu erkennen und rechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Eine digitale Zeiterfassung kann hier sogar eine wertvolle Unterstützung bieten, indem sie Transparenz schafft und die Einhaltung der Vorschriften erleichtert, ohne die grundlegende Flexibilität des Vertrauensmodells aufzuheben.
Fazit
Das Jahr 2025 markiert einen entscheidenden Punkt in der Evolution des deutschen Arbeitsrechts. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ist durch die Rechtsprechung des BAG bereits Realität und erfordert von Unternehmen die konsequente Einführung geeigneter Systeme. Parallel dazu zielt die geplante Reform des Arbeitszeitgesetzes darauf ab, durch eine stärkere Betonung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit mehr Flexibilität zu schaffen. Die Koalition betont dabei, dass auch die Vertrauensarbeitszeit weiterhin Bestand haben soll, wobei die konkrete Ausgestaltung im Einklang mit der Zeiterfassungspflicht noch detailliert werden muss. Gleichzeitig rückt das Arbeitsrecht für Homeoffice und mobiles Arbeiten stärker in den Fokus, auch wenn in Deutschland noch umfassende gesetzliche Regelungen ausstehen. Für Arbeitgeber ist es unerlässlich, die Entwicklungen genau zu verfolgen, um rechtzeitig auf neue Vorgaben reagieren und ihre Arbeitsmodelle entsprechend anpassen zu können. Transparenz, rechtliche Sicherheit und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben bleiben die zentralen Pfeiler einer modernen und zukunftsfähigen Arbeitswelt.
Weitergehende Quellen:
https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/gewerkschaftschef-arbeitszeit-reform-achtstundentag